Donnerstag, 19. April 2007

Gastbeitrag: Eine E-Mail

Dieser Betrag ist - nach Einwilligung des Autors - eine inhaltlich unveränderte Wiedergabe einer E-Mail, die heute an eine Mailingliste ging. Äußerlich habe ich sie ein bisschen in Form gebracht und das war es:


Rechtsanwaltskollege Hans H. Abtmeyer schrieb:

Lieber Herr Kollege *,

ich bitte es mir nicht übel zu nehmen, wenn ich diesen thread von gestern noch mal vorkrame, da mir gestern abend mein Abendessen noch dringlicher schien - das sehe ich aber heute nach etwas drüber nachdenken anders.

die Aussage von Schäuble ist nur ein "Hammer", wenn nicht zwischen Gefahrenabwehr und repressiver Tätigkeit unterschieden wird.

Wenn mit "Terrorabwehr" "Gefahrenabwehr" gemeint ist, ist die Aussage *eigentlich* unproblematisch.
Für eine polizeiliche Störereigenschaft kommt es nicht auf "Schuld" an; Störer können Unschuldige - Deliktsunfähige, Geschäftsunfähige - sein; siehe nur Steiner, Bes. VerwR, 5. A. 1995, POR (II), Rn. 146. Das ist meines Erachtens noch nicht einmal umstritten - jedenfalls nicht in der Fachliteratur.
Das heißt natürlich nicht, dass alles zur Gefahrenabwehr erlaubt wäre, und es muss natürlich eine entsprechend hohe Gefahr vorhanden sein, die von einem (unschuldigen) Störer ausgeht. (Flugzeugabschüsse sind nicht im Extremfall zulässig, was er aber ebenfalls gefordert hatte.)
Wenn Schäuble allerdings die Strafverfolgung gemeint haben sollte, wäre es eine Aussage aus der juristischen Kreisklasse. Das hat er aber anscheinend nicht (?)
Unser Innenminister provoziert halt gern. Irgendwie scheint das am Amt zu liegen, auch, wenn man an seine Vorgänger denkt.


unser Herr Innenminister provoziert leider nicht nur, er handelt auch.

Und mit solcherart verbaler Umweltverschmutzung wird publizistisch das Terrain für den Polizeistaat bereitet.

Was haben wir denn da eigentlich im Blick?

- wunderschön maschinell verarbeitbare Mautdaten,
- wunderschön maschinell verarbeitbare Passdaten incl. Bild und Fingerabdruck,
- wunderschön maschinell verarbeitbare Verbindungsdaten incl. Aufenthaltsdaten aus Telekommunikation etc.,
- zumindest von einigen Grenzübergängen wunderschön maschinell verarbeitbare Erfassungen,
- wunderschön maschinell verarbeitbare Sozial- und Gesundheitsdaten bei Kassen, Ärzten, Ämtern,
- wunderschön maschinell verarbeitbare Kontendaten bei BaFin und Banken/Kartenunternehmen,

um nur einige Beispiele zu nennen.

Und täglich werden es mehr wunderschön maschinell verarbeitbare Daten ...

Wenn ich bislang erkennungsdienstlich behandelt wurde, habe ich einen Löschungsanspruch nach Feststellung, dass ich nicht als Beteiligter der betreffenden Tat in Betracht komme.

Wenn's nach Herrn Schäuble geht, brauche ich über sowas zukünftig nicht mehr zu diskutieren, denn Fahndungsphoto und Fingerabrücke liegen ja eh schon vor. Bei nicht wenigen auch schon die DNA-Daten, die Truppen des Herrn Schäuble müssen da nur noch drandürfen. Und und und ...

Sie schreiben:

Wenn mit "Terrorabwehr" "Gefahrenabwehr" gemeint ist, ist die Aussage *eigentlich* unproblematisch.


und was ist, wenn Herr Schäuble es "politisch" gemeint haben sollte, im Sinne von: "Wir müssen weg von der Unschuldsvermutung, wo auch immer sie staatlichen Interessen im Wege steht"?

was ist, wenn Herr Schäuble um der Griffigkeit seiner Formulierung willen davon abgesehen hat, feinsinnig juristisch zu sagen: "Unschuldsvermutung und Verhältnismässigkeitsprinzip und informationelle Selbstbestimmung und Schutz der Privatsphere und Aussageverweigerungsrechte und Richtervorbehalte und Beschlagnahme-/Verwertungsbeschränkungen müssen weg, wo auch immer sie staatlichen Interessen im Wege stehen"?

Das ist nämlich die unverkennbare politische Absicht, die teilweise schon umgesetzt ist, telweise offen auf der Agenda steht (Vorratsdatenspeicherung) und vielfach mehr oder weniger im Stillen vorbereitet wird (Mautdaten, Sozial- und Passdaten).

Und jetzt fragen wir uns doch mal, was tatsächlich mit den angeblich zur Terrorbekämpfung erfundenen Werkzeugen der "Geldwäscherichtlinie" in der breiten Masse der realen Anwendungsfälle verfolgt wird: hundskommune Steuerverkürzung!

Wir können zurückgehen bis zum allerersten "Terrorgesetz" aus weiland Baader-Meinhof-Zeiten. Die damals - teilweise sogar zunächst befristeten - Einschränkungen der Verteidigung und der allgemeinen Bürgerrechte gibt's heut noch - obwohl die RAF-Mitglieder derzeit grad begnadigt werden, soweit sie denn überhaupt noch leben.

Glaubt wirklich noch irgendjemand, dass mit dem Totschlagsargument "Terrorbekämpfung" eingeführte Intrumente staatlicher Überwachung und Unterdrückung

1. nach einem "Ende" der Terrormode wieder verschwinden oder auch nur
2. wirklich nur zur Abwehr terroristischer Gefahren eingesetzt werden?

Bei der Vorratsdatenspeicherung sind die schwereren Fälle der Steuerverkürzung schon offen im Katalog aufgeführt!

Wenn Herr Schäuble sagt, er will der Unschuldsvermutung an den Kragen, meint er das auch. Und wollen tut er noch viel mehr, auch wenn er es uns - noch - nicht offen sagt.

Und es ist originär anwaltliche Aufgabe, hier laut und überdeutlich aufzuschreien.

Oder soll es wieder - wie schon bei der gelegentlichen Betrachtung anwaltlichen Verhaltens von 33-45 oder in der ehemaligen DDR - heissen: die Anwaltschaft war mal wieder "staatstragend" ...

Ich habe mich vor noch gar nicht langer Zeit an einem deutschen Grenzübergang ausziehen dürfen, bloss weil da zufällig am gleichen Tag ein paar Hells Angels über den gleichen Grenzübergang zu einer Party nach Prag wollten. Ein Bekannter aus dem Innenministerium hat danach festgestellt, das ich nunmehr in der "Türsteher und Schutzgeld Datei" erfasst bin. Darüber könnte ich mich zwar noch schier totlachen - wenn ich dann aber dran denke, dass gegen Anwälte der Angels gern wegen Beteiligung an Geldwäsche ermittelt und bei der sich dabei bietenden Gelegenheit in deren sonstigem Mandantenkreis rumgeschnüffelt wird, gefällt mir das schon weniger. Wenn jetzt auch noch dank Grenzdatenerfassung rauskäme, dass ich mindestens 1 mal pro Woche den Geltungsbereich deutschen Steuerrechts verlasse (weil ich nämlich bekennender Tabak- und Mineralölsteuerverweigerer bin), wird mir schon ein wenig unheimlicher. Dann fällt mir noch ein, dass gegen ein paar meiner Mandanten unter anderem auch wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermittelt wird - da mag ich dann ja schon gar kein inländisches Anderkonto mehr führen, mein Handy sollte ich vielleicht auch ausser Dienst stellen ... Kann mir jemand ein Anwaltsprogramm empfehlen, das ohne EDV funktioniert?

Aber bitte, schicken Sie mir diese Empfehlung nicht über die Liste - Feind hört mit. Am besten gar nicht per mail, lieber auch nicht telephonisch - wir treffen uns am besten nach Mitternacht im Waldpark, aber sehen Sie zu, dass Sie nicht überwacht werden ...

Dies könnte dann ja bald meine letzte mail an die Liste sein, vielleicht stimmt das die Moderatoren gnädig.

Mit freundlichen kollegialen Grüssen


Hans H. Abtmeyer
Rechtsanwalt

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

In dem Zusammenhang möchte ich noch mal an einem Artikel von Folrian Rötzer erinnern.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25058/1.html
Ich denke die USA bieten uns heute schon einen Vorgeschmack darauf, warum Herr Schäuble einige Korrekturen an unserem Rechtssystem benötigt.
Oder glaubt noch jemand, dass bei den deutschen Behörden mehr Kompetenz, was den Umgang mit erfassten Daten angeht vorhanden ist als bei den Amerikanern?