Schon die (leider zutreffende) Überschrift des Interviews, das unsere (?) Bundesjustizministerin heute bei Birgit Kolkmann vom Deutschlandradio abgeliefert hat, ist ein Skandal:
„Zypries verteidigt geplante Online-Durchsuchung"
Inhaltlich kann man das Interview nur als Rückzugsgefecht werten, B.Z. schwafelt mit viel BlaBla und Allgemeinplätzen am Thema vorbei. Eine leider zutreffende kurze Zusammenfassung:
„Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sieht in der geplanten Online-Durchsuchung von Computern keine Gefahr für die freiheitliche Grundordnung. Es gehe nicht darum, den Menschen vollständig auszuspionieren, sagte die SPD-Politikerin. Für die Online-Durchsuchung müssten zunächst aber klare gesetzliche Grundlagen geschaffen werden."
Exemplarisch einige Beispiele:
Kolkmann: Die Diskussion ist ja im Moment relativ intensiv. Viele Bürger fragen sich, was eigentlich dann noch Privatsphäre bedeutet. Ist die Privatsphäre auf dem besten Weg dazu, alles andere zu sein als Privat?
Zypries: Wir müssen zweierlei unterscheiden. Zum einen müssen wir unterscheiden, wo kann der Staat eingreifen und weshalb. Da gibt es ganz klare Vorschriften aus der Verfassung und von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es muss immer ein Bedarf dafür da sein, und der Eingriff muss immer verhältnismäßig sein. Das Andere, was wir beobachten können und was ich auch für schwierig erachte, ist, dass bei vielen Menschen in Deutschland inzwischen das Bewusstsein über diese vielen Situationen, in denen sie private Daten hinterlassen, sich verändert hat. Also: Man geht ins Kaufhaus, man zahlt mit irgendwelchen PAYBACK-Karten, es wird überall in den Kaufhäusern registriert, wann man welche Sachen gekauft hat, man kauft über das Internet ein, man hinterlässt da seine Spuren und ähnliches mehr, man lässt sich Cookies setzen. Da gibt es eine Vielzahl, wo man mit elektronischen Hilfsmitteln heutzutage Spuren hinterlässt, und viele Menschen machen sich da, glaube ich, nicht hinreichend Gedanken darüber.
Kommentar: Im Prinzip hat B.Z. Recht, aber was hat der allzu sorglose Umgang der Bürger mit der geplanten staatlichen Schnüffelei zu tun?
Kolkmann: Ist da, weil viele das auch gar nicht mehr überblicken können, vor allen Dingen auch technisch nicht mehr verstehen können, möglicherweise schon so eine Haltung entstanden, die sagt, es ist sowieso alles Wurst, es ist eh alles klar, es ist eh alles offen, wir sind schon gläsern. Muss da zum Beispiel eine Bundesjustizministerin kommen, um den Bürger besser zu schützen, weil da so viele sind, die an die Privatsphäre heranwollen, inklusive der Bundesinnenminister.
Zypries: Es ist zum einen, wie gesagt, dieser staatliche Bereich. Aber wenn die Menschen von sich aus sagen, ich gebe meine Daten, mir macht das nichts, dann kann der Staat dagegen nichts tun. Das ist wenigstens unser Grundverständnis von einem Staat, in dem jeder seine allgemeine Handlungsfreiheit hat und sich so verhalten kann, wie er gerne möchte. Da kann man nur über Aufklärung was machen, das tun wir. Da können die Datenschutzbeauftragten was machen, die machen auch eine Menge, kontrollieren auch bei privaten Firmen jetzt zunehmend. Da gibt es auch ein gewachsenes Bewusstsein. Aber, noch mal, jeder Einzelne muss sich da immer klar darüber sein, was er tut.
Kommentar: Wieder nur BlaBla, selbstverständlich bleibt es jedem unbenommen, seine Daten freiwillig (!) preiszugeben.
Kolkmann: Sie sagten eben auch, es muss auch immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Was will man denn eigentlich erreichen mit bestimmten Vorschriften? Gesetzt den Fall, es kommt dazu, dass die Fingerabdrücke gespeichert werden bei den Kommunen, fängt man dadurch mehr Terroristen?
Zypries: Ich meine, man muss eben genau vorher definieren, kann ich mit einer solchen Speicherung der Fingerabdrücke tatsächlich bei der Bekämpfung des Terrorismus was bewirken, oder aus welchem anderen Grund will ich sie vielleicht speichern. Und da muss dann ganz klar gesagt werden, ja, das nützt was. Ich kann das jetzt nicht beurteilen. Ich würde mal ein Fragezeichen daran machen, weil es ja nur die Zeigefingerabdrücke sind, die für kriminalistische Studien dann echte Glückstreffer sein müssen. Aber das müssten dann die Sicherheitsbehörden da tun. Wichtig ist auf alle Fälle, es muss, zu welchem Behufe will ich das tun.
Kommentar: Gefragt war: „fängt man dadurch mehr Terroristen?" - Keine Antwort ist auch eine Antwort. Und das immer klar gesagt werden muss, was wozu gut sein soll, scheint in den letzen Tagen zum (nichtssagenden) Standardargument von B.Z. zu werden.
Kolkmann: Stichwort Online-Untersuchung: Da könnte man den Eindruck haben, wer seinen Computer zu Hause anschaltet und nicht über ganz besondere Firewalls verfügt, der macht quasi sein Wohnzimmerfenster ganz weit auf und die ganze Stadt kann hereingucken. Das, was der Bundesinnenminister will, darf noch nicht gemacht werden. Und im Augenblick werden Computerprogramme entwickelt, die es möglich machen sollen, Menschen tatsächlich richtig auszuspionieren. Ist das etwas, was unsere freiheitliche Grundordnung in den Grundfesten erschüttert?
Zypries: Nein, davon kann nun keine Rede sein, sondern es geht ja um die Frage, kann ich nicht den Menschen vollständig ausspionieren, sondern kann ich auf seine Festplatte gucken, welche rechtlichen Voraussetzungen brauche ich dafür und wie stelle ich sicher, dass ich nicht in seinen Kernbereich privater Lebensgestaltung komme. Denn das ist etwas, das das Bundesverfassungsgericht klar gestellt hat. Da ist drauf zu achten, darauf muss der Staat Rücksicht nehmen.
Kommentar: Unsinn, selbstverständlich wird durch die Online-Schnüffelei „unsere freiheitliche Grundordnung in den Grundfesten erschüttert", nämlich durch einen Eingriff von noch nie dagewesener Intensität, der wohl inzwischen relativ unbestritten nach unserer jetzigen Verfassung absolut unzulässig ist - also ohne Änderung des Grundgesetzes absolut illegal.
...
Kolkmann: Bedient sich der Staat denn im Prinzip in dieser Hinsicht auch illegaler oder krimineller Techniken?
Zypries: Nein, der Staat hat ja, wenn er es tut, eine Rechtsgrundlage dafür, auf Grund derer er in Rechte der Bürger eingreifen kann. Das ist die gesetzliche Ermächtigung. Deswegen bedarf es eben auch einer gesetzlichen Regelung. Der Innenminister hat ja das Vorgehen ohne eine gesetzliche Regelung erst mal gestoppt.
Kommentar: Man beachte den Widerspruch in sich: Der Staat hat eine Rechtsgrundlage, deswegen hat W.i.b.a.S. die schon praktizierten (!) illegalen Online-Schnüffeleien auch gestoppt.
Kolkmann: Sind Sie, was diese ganze Fragestellung angeht, ganz kontra zum Innenminister?
Zypries: Nein, das bin ich nicht. Ich habe immer gesagt, die Sicherheitsbehörden müssen dartun, aus welchen Gründen und wofür sie was brauchen. Und dann müssen wir sehen, ob wir, wenn wir das nachvollziehen können, Regelungen finden können, die verfassungskonform sind. Dann ist ja dagegen nichts zu sagen. Man kann nicht generell sagen, man braucht das nicht, sondern man muss es immer abwägen. Es stellt sich immer die Frage, was kann ich vielleicht verhindern, wenn ich diese Möglichkeiten habe.
Kommentar: Hier wird also der Rückzug eingeläutet. Genau jene Bundesjustizministerin, die wochenlang den Eindruck erweckt hat, ganz überwiegend gegen W.i.b.a.S.’ Schnüffelpläne zu sein, und immer wieder auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinwies, macht jetzt auf Einigkeit. Wieder das neue Standardargument „was - wofür - müssen wir besprechen", ansonsten nur lauwarmes Geschwätz. Kein Wort von Terrorismusgefahr (nicht einmal mehr das), kein Wort (mehr) von grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, am Ende aber eine rhetorische Frage von brutaler Bandbreite: „... was kann ich vielleicht verhindern, wenn ich diese Möglichkeiten habe". Und diese Möglichkeiten werden wir schaffen, koste es, was es wolle - oder wie ??
Wer also bisher noch die vage Hoffnung hatte, jedenfalls Frau Zypries würde noch versuchen, die rollende Paranoia zu stoppen, sieht sich jetzt endgültig nicht nur getäuscht, sondern eines Besseren belehrt!
Dank an Farlion, der sich auch schon mit dem Thema beschäftigt hat, für den Tipp.
P.S. Unter dem Datum vom o4.o4.2007 (erst oder schon ? 35 Tage her) war als offizielle Verlautbarung der SPD noch Folgendes zu lesen:
- Sicherheitspaket mit Rechtsstaat unvereinbar
- Pläne bedrohen Balance zwischen Innerer Sicherheit und Bürgerrechten
- Schäubles Vorschläge stellen keine Gesprächsgrundlage dar
Man darf gespannt sein, wann diese Seite sang- und klanglos verschwindet.
Dienstag, 8. Mai 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Ich als juristischer Laie würde Frau Zypries daher auch unter die Kategorie "Art. 20, Abs. 4 GG) einstufen.
Solche Maßnahmen sind ja schließlich nicht nur derzeit Illegal sondern die Planung davon ist offensichtlich dazu geeignet die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beschädigen.
Vor allem die Kombination der diversen Maßnahmen ist besonders erschreckend. Hier fiele mir neben der Online-Überwachung, der Vorratsdatenspeicherung auch vor allem die Problematik der Wahlcomputer ein.
Alles drei in Kombination lässt künftige Wahlen sehr düster aussehen.
Und dann solch ein Interview von der "Verfassungsministerin"...
Gruß,
Konstantin
Kommentar veröffentlichen