Montag, 12. November 2007

Einen tiefen Blick auf das Verfassungsverständnis

einiger Mitglieder des Bundestages offenbart der heutige Tag.

Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz lautet: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. (Unterstreichung durch mich)

Nachdem der Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung im Bundestag durchgewunken wurde und der AK VDS noch immer Vollmachten für die Verfassungsbeschwerde sammelt, findet sich nunmehr Entlarvendes auf der Webseite des Bundetages.

In Anlage 4 ab S. 13031 des Protokolles findet sich eine Erklärung nach § 31 GOBt:

Die genannte Erklärung geben folgende Abgeordnete der SPD ab:

Christoph Strässer, Niels Annen, Dr. Axel Berg, Lothar Binding (Heidelberg), Marco Bülow, Siegmund Ehrmann, Gabriele Frechen, Martin Gerster, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Gabriele Groneberg, Gabriele Hiller-Ohm, Christel Humme, Josip Juratovic, Anette Kramme, Ernst Kranz, Jürgen Kucharczyk, Katja Mast, Dr. Matthias Miersch, Dr. Rolf Mützenich, Andrea Nahles, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Bernd Scheelen, Ewald Schurer, Wolfgang Spanier und Dr. Ditmar Staffelt.

Dort heißt es im letzten Absatz:
Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird.


Der Gesetzgeber ist nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Wenn er selber (zumindest teilweise) davon ausgeht, dass ein Gesetz nicht verfassungskonform ist, dann ist es in meinen Augen nicht hinnehmbar, dass er das Gesetz sehenden Auges gleichwohl verabschiedet, sondern muß a) darauf hinwirken, dass das Gesetz verfassungskonform gestaltet wird und wenn das nicht geht b) konsequenterweise seine Zustimmung für das Gesetz verweigern.


Dass (ein Teil) des Gesetzgebungsorganes dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung überlassen möchte, ob die Regelung verfassungskonform ist, ist für mich mit Worten nicht mehr beschreibbar, ohne dass ich beleidigend werde. Der Gesetzgeber darf sich nicht auf das BVerfG verlassen, um den Stall auszumisten, weil er bereits selber dafür Sorge zu tragen hat, dass die Grundrechte beachtet werden.

Die MdB bekommen Geld dafür, dass sie ihren Job erledigen. Also sollten sie auch den Job erledigen und nicht die ihnen obliegenden Kernfragen an das BVerfG durchreichen. Es ist zu hoffen, dass der beim BVerfG zuständige Senat klare Worte für die zu Protokoll gegebene Erklärung findet.

6 Kommentare:

RA Munzinger hat gesagt…

Von Gewaltenteilung haben diese Abgeordneten offenbar keinen Schimmer, wenn sie letztlich die Gesetzgebung der Exekutive überlassen und dann auf die Kontrolle aus Karlsruhe hoffen.

Welche Funktion haben diese Stimmkartenhalter eigentlich sich selbst zugedacht ?

Anonym hat gesagt…

Ok, hab verstanden: sie konzidieren Verfassungswidrigkeit, stimmen trotzdem aber zu. Betrachte ich öffentlich eingestandene Untreue.

Gibt es Rechtsmittel gegen diese Abgeordneten?

RA Kuemmerle hat gesagt…

Wir sind dafür aber doch dagegen. Egal, Karlsruhe wird es schon richten. Was für eine verlogene Farce. Ein lieber Freund hatte mir heute den Link zum Protokoll mit der Bemerkung geschickt, "und die wagen es, ihre Gehälter an die der Bundesrichter zu koppeln und daran anzugleichen? Für welche Leistung denn? Die Richter machen doch inzwischen in diesem Land die Arbeit des Gesetzgebers. Da wird mir so speiübel...". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Anonym hat gesagt…

Kleine Hilfestellung der Redaktion:

Guten Tag RA J.M.,

ich wollte im Schnüffelblog zum letzten Beitrag kommentieren aber das klappt irgendwie nicht, deshalb hier per mail:

Und um Terrorrismus gehts auch nicht. Wer das glaubt ist doof. Sagt der Dr. Wiefelspütz:

http://tinyurl.com/2enct9

"Sehr geehrter Herr Borkert,

Sie werden hinnehmen müssen, daß der Gesetzgeber in Sachen Vorratsdatenspeicherung
anderer Meinung ist als Sie. Vorratsdatenspeicherung
hat mit Terrorismusbekämpfung relativ wenig zu tun. Ich wäre für die Vorratsdatenspeicherung auch dann, wenn es überhaupt keinen Terrorismus gäbe.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter Wiefelspütz"

Unfassbar, das Alles. :-(

MfG, corax

PS: Gilt hier noch Sommerzeit?

Zeitstempel gefixt, danke!

Anonym hat gesagt…

Ich lasse mal Fakten sprechen: Joschka hatte 2000 noch keinen Rechner im Büro und 2007 weiß Brigitte Zypries nicht, was ein Browser ist.

Daher sollte es keinen wundern, dass die Gesetze zum Thema Internet eher in die Tonne als in ein Gesetzbuch gehören...

Anonym hat gesagt…

Herr Wiefelspütz kann sich wohl nicht wirklich erinnern, dass er klarstellt, dass Vorratsdatenspeicherung nicht viel mit Terrorbekämpfung zu tun hat... schade eigentlich.


Sehr geehrter Herr Freiwald,

wenn ich das Gesetz nicht für verfassungskonform hielte, hätte ich mich nicht für sein Zustandekommen eingesetzt. Wo schreibe ich, daß die Terrorismusbekämpfung nur ein Vorwand sei? Ich kann doch wohl erwarten, daß Sie mich korrekt zitieren!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dieter Wiefelspütz