Mittwoch, 20. Juni 2007

Atempause bei der Online-Schnüffelei?

Wie WELT online berichtete, hat die SPD am 19.o6.2007 überraschend eine erste Koalitionsrunde mit Schäuble abgesagt:

„Vor der Sommerpause wird es nichts mehr mit einem Gesetz, das Fahndern den Zugriff auf privaten Festplatten erlaubt. Gespräche zwischen Innenminister Wolfgang Schäuble und der SPD sind gescheitert. Die Sozialdemokraten lassen sich Zeit mit einem Kompromiss.

... Der Minister ist der Ansicht, dass das Bundeskriminalamt (BKA) die Online-Durchsuchung dringend zur Gefahrenabwehr im Anti-Terror-Kampf braucht. Dem BKA sollen zudem bundesweite Rasterfahndungen und akustische Wohnraumüberwachungen erlaubt werden. Schäuble will diese Fahndungsinstrumente in das BKA-Gesetz aufnehmen, obwohl dazu höchstrichterliche Rechtsprechungen vorliegen oder anhängig sind.

... Schäuble ist nach WELT-ONLINE-Informationen bereit, der SPD eine Brücke zu bauen. So besteht er nicht mehr auf einer Grundgesetzänderung. Sollten die Sozialdemokraten ihn davon überzeugen, dass Online-Durchsuchungen im geltenden Verfassungsrahmen möglich sind, werde er dies akzeptieren, hieß es in Unionskreisen.

... Für den SPD-Innenexperten ist die BKA-Novelle das wichtigste sicherheitspolitische Vorhaben dieser Legislaturperiode, bedeutender als etwa die Anti-Terror-Datei. „Die BKA-Novelle ist notwendig, aber wir werden keine schnellen Ergebnisse bekommen. Schon gar nicht bei der Online-Durchsuchung", sagte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz WELT ONLINE. Es sei noch viel Überzeugungsarbeit erforderlich, da es in der Sozialdemokratie eine „weitgehende Ablehnung" gebe: „Die Skepsis in der SPD-Bundestagsfraktion gegenüber Online-Durchsuchungen ist erheblich." Falls die Union auf scharfe Ansagen und ein Hau-Ruck-Verfahren setze, könne nichts erfolgreich angepackt und zu Ende gebracht werden.

... Die Umsetzung stockt auch deshalb, weil sich das Koalitionsklima beim Thema innere Sicherheit Innenexperten zufolge im vergangenen halben Jahr erheblich verschlechtert hat. Im Streit um die richtigen Mittel zur Terrorbekämpfung zeigte sich der Innenminister empört über den früheren SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter. Dieser hatte nach Schäubles Vorstoß, bei Terrorverdacht vom Prinzip der Unschuldsvermutung abzurücken, vor Methoden wie im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba gewarnt. Die SPD-Seite wiederum legte Schäuble kürzlich nahe, besser gleich mit der FDP zu verhandeln. Der Minister habe doch selbst durchblicken lassen, dass er einen anderen Wunsch-Koalitionspartner als die Sozialdemokraten habe. Allerdings lehnten die Delegierten des FDP-Bundestages in Stuttgart vergangene Woche heimliche Online-Durchsuchungen klar ab. Dieser „schwerwiegende Eingriff in die Bürgerrechte ist nicht hinnehmbar", heißt es in dem Beschluss.

Mit einer ähnlichen Begründung hatte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) am 10. Februar Verfassungsbeschwerde gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz eingelegt, das dem Geheimdienst das Ausspähen privater Computer erlaubt. Die Online-Durchsuchung sei ein „drastischer Eingriff in die Freiheit der Bürger, der schwerer wiegt als der Große Lauschangriff", sagte Baum."


So weit - so schlecht, insbesondere dass hier wieder der Eindruck erweckt wird, der Oberschnüffelminister könne/müsse ggf. von der SPD davon überzeugt werden, „dass Online-Durchsuchungen im geltenden Verfassungsrahmen möglich sind" - bisher war es gerade W.i.b.a.S., der nur mühsam begriff, dass seine Vorhaben ohne Verfassungsänderungen - von ihm schönfärberisch Ergänzung genannt - nicht realisierbar sein würden und eher die SPD, die auf verfassungsrechtliche Bedenken hinwies - alle Zweifel an der Standfestigkeit der Justizministerin einmal ebenso ausgeklammert wie das Staunen über die wankelmütige Argumentation des „Innenexperten" Wiefelschnüff.

Nur - wozu der ganze blinde Aktionismus? Die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen Innenministers und Schäuble-Kritikers Gerhart Baum ist in der Welt. Das BVerfG wird also ohnehin über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit derartiger Aktionen zu befinden haben. Was bitte hindert daran, diese Entscheidung einfach in aller Gelassenheit abzuwarten, anstatt mit Gewalt ein verfassungsrechtlich höchst zweifelhaftes Projekt mit Gewalt durchzupeitschen, um dann zu riskieren, dass es mit der nächsten Verfassungsbeschwerde wieder kassiert wird?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Moin moin die Herren,

Ich packs mal hier off topic hin, damits schneller gefunden wird.
Die Antwort der Würfelqualle ist da, ich als Laie kann dem aber nicht so recht folgen, vielleicht könnte mal einer die (behauptete Quintessens) ziehen. Übermorgen erzählt der Schnüffelwitz eh wieder was ganz anderes.

Pax





11.06.2007
Frage von
Dominik Boecker

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Wiefelspütz,

aus einer Ihrer Antworten bezüglich der Vorratsdatenspeicherung:

"Wer erfindet solchen Schwachsinn?"

Ihre Politikerkollegen aus dem Bundesrat fordern das aktuell.

"Die Vorratsdatenspeicherung dient der Strafverfolgung."

Verstöße gegen Urheberrechte (auch im privaten Bereich) sind Straftaten, vgl. § 106 UrhG ff.

Wieso sollten die auf Vorrat gespeicherten Daten im Rahmen des anwaltlichen Einsichtsrechts in die Ermittlungsakte anschliessend nicht zum Zwecke der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche benutzt werden können?

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dominik Boecker
19.06.2007
Antwort von
Dr. Dieter Wiefelspütz

Bild: Dr. Dieter Wiefelspütz

Gem. § 100g Abs. 1 Satz 1 StPO ist Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten zu erteilen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung entsprechend § 100 a Satz 1 StPO (Straftatenkatalog für die Telekommunikationsüberwachung) begründen oder einer mittels Telekommunikation begangenen Straftat. Im vorliegenden Fall einer Straftat nach § 106 UrhG läge keine Straftat von erheblicher Bedeutung i.S. von § 100g Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 100a Satz 1 StPO vor. Eine Auskunft wäre nur möglich, wenn die Straftat gem. § 106 UrhG mittels Telekommunikation begangen würde (§ 3 Nr.3 TKG). In diesem Fall könnte der Verletzte gem. § 406e StPO Einsicht in die Verfahrensakten nehmen und diese Erkenntnisse auch für einen zivilrechtlichen Schadensersatzprozeß nutzen.
Die Vorschriften zum Zugriff auf die sog. Telekommunikationsverbindungsdaten werden nicht verändert und sind bereits jetzt in Kraft. Ändern wird sich im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung nur, daß die bislang bei den TK-Anbietern zu Abrechnungszwecken gespeicherten Daten zukünftig auch dann bis zu 6 Monate zu speichern sind, wenn dies zu Abrechnungszwecken nicht mehr erforderlich sein wird (Flat-Rates).

Anonym hat gesagt…

Heise meldet: SPD gegen Beschluss zu Online-Durchsuchungen im "Hauruck-Verfahren". Also lieber langsam und vorsichtig, so daß man sich nicht mehr blamiert als dringend nötig.
Ein kleiner, aber feiner Unterschied.