Donnerstag, 8. Februar 2007

Schäuble - ahnungslos aber anständig!?

Die taz hat am o8.o2.2007 ein Interview mit unserem Oberschnüffelminister veröffentlicht, wozu sich kleine Spontankommentare geradezu aufdrängen (kursiv). Davon unabhängig, es sage nachher niemand, er hätte nicht gewusst, was dieser Mann und seine Koalitionäre vorhaben!

"Terroristen sind auch klug"

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Schäuble, sind Sie der ranghöchste Hacker Deutschlands?

Wolfgang Schäuble: Nein, ich komme in keinen Computer rein, ich weiß auch kaum, wie die Polizei das macht. Ich weiß gerade mal so, was ein Trojaner ist.

Ach, wirklich? Aber die Installation von so was fordern ... (!)

Haben Sie Angst vor den sogenannten Trojanern, also vor Spionagesoftware?

Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.

... sogar so anständig, dass ich vor keiner Vergewaltigung der Verfassung zurückschrecke!

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Montag das heimliche Ausspähen von privaten Computern durch die Polizei bis auf weiteres für illegal erklärt. Eine Schlappe für den Bundesminister des Innern, der solche Onlinedurchsuchungen propagiert?

Nein. Der BGH hat ja nicht gesagt, das sei überhaupt nicht erlaubt. Er hat nur eine gesetzliche Grundlage gefordert, und die werden wir schaffen.

Klar doch, wäre ja gelacht, wenn wir den kläglichen Rest des Datenschutzes nicht auch noch kleinkriegen würden.

Sind Sie da so sicher? Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist in dieser Frage deutlich skeptischer.

Wie die Regelung konkret aussehen wird, ist noch offen, aber sie wird kommen. Da ist ein breiter Konsens in der Regierungskoalition. Ich habe von niemand gehört, dass wir gar nichts machen sollen.

Die parteiübergreifende Schnüffelkoalition bei der Arbeit!

Warum wollen Sie Computer unbedingt heimlich überwachen? Genügt es nicht, den Rechner bei einer Hausdurchsuchung zu beschlagnahmen und dann auszuwerten?

Nein, es gibt Fälle, da würden die Ermittlungen vorschnell gestört, wenn die Polizei eine Hausdurchsuchung macht. Dann würden Hintermänner und Komplizen gewarnt und könnten ausweichen. Außerdem ist ein Laptop ja auch leicht zu verstecken, vielleicht wird er bei einer Durchsuchung gar nicht gefunden. Ans Internet muss er aber immer wieder.

... und dann schnappen wir ihn - aber wieso nur ihn? Auch Frauen haben Computer!

Soll es solche Onlinedurchsuchungen künftig fünfmal im Jahr geben oder 50.000-mal?

Das hängt davon ab, wie sich die Internet- und Computernutzung entwickelt. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, welche Bedeutung das Internet heute hat? Da will ich mich nicht festlegen. Und natürlich hängt die Antwort auch davon ab, bei welchen Straftaten die Methode angewandt werden darf.

Und wenn es 500.000 mal wäre, wen stört denn das - mich jedenfalls nicht, denn ich bin ja „anständig" (s.o.)

Wofür plädieren Sie?

Als Innenminister, der für die Sicherheit dieses Landes zuständig ist, bin ich natürlich für einen weiten Anwendungsbereich. Die Justizministerin, Frau Zypries, ist da zurückhaltender. Da sind wir noch etwas auseinander. Aber wir sind ja erst am Anfang der Diskussionen.

... und die Sozi-Tussi werden wir schon noch kleinkriegen!

Sollen nur die Computer von Verdächtigen ausspioniert werden oder auch die von bloßen "Kontaktpersonen"? Sollen Computer nur einmalig durchsucht oder über einen längeren Zeitraum überwacht werden?

Die Fachleute melden uns jetzt den ermittlungstaktischen Bedarf. Dann formulieren wir einen Gesetzentwurf, der politisch abgestimmt wird. Und dann kann ich Ihre Frage beantworten.

(Wie gesagt: „kann", werde ich aber nicht!)

Auf der Computerfestplatte findet man auch sehr persönliche Details zu Liebe, Gesundheit und Steuererklärung. Wie wollen Sie den "Kernbereich privater Lebensführung", dessen Schutz das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe besonders angemahnt hat, beachten?

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.

... und außerdem sollen die Ermittler doch auch ihren Spaß haben, oder?

Der Strafrechtsprofessor Matthias Jahn hat am Dienstag in einem taz-Interview vor der Einführung von Onlinedurchsuchungen eine Grundgesetzänderung gefordert, da es um Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung geht. Sehen Sie das auch so?

Bisher nicht. Aber wir werden prüfen, ob eine Verfassungsänderung nötig ist.

Wäre doch gelacht, wenn wir uns von der Verfassung von irgendetwas abhalten lassen würden.

Soll auch das Bundesamt für Verfassungsschutz Onlinedurchsuchungen machen?

Ich bin dafür. Ich habe immer betont, dass angesichts der terroristischen Bedrohung die Vorfeldaufklärung mindestens so wichtig ist wie die Strafverfolgung - vor allem, wenn es um Selbstmordattentäter geht. Ob wir aus der Karlsruher Entscheidung auch für den Verfassungsschutz Konsequenzen ziehen müssen, werde ich im Rahmen der ohnehin eingeleiteten Novelle des Verfassungsschutzgesetzes prüfen lassen.

Prüfen kann man ja mal (und die Prüfer suchen wir aus), ob man sich danach richtet, ist eine andere Frage.

Hat der Verfassungsschutz des Bundes schon bislang private Computer gehackt?

Zu operativen Fragen nehme ich nur im Parlamentarischen Kontrollgremium Stellung.

... was nicht heißt, dass ich dort die Wahrheit sagen werde.

Verstehen Sie, wenn die Menschen beunruhigt sind, weil die Sicherheitsbehörden immer neue Befugnisse bekommen?

Die meisten Menschen sind über Terrorismus und Kriminalität beunruhigt, nicht über polizeiliche Schutzmaßnahmen. Sie wollen, dass der Staat ihre Sicherheit garantiert. Dazu muss er auch neue Technologien nutzen. Wir können nicht stehen bleiben, wenn das Verbrechen und der Terrorismus immer neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung haben.

... und deshalb kontrollieren und speichern wir vorsichtshalber einfach alles, was da so auf der Datenautobahn kreucht und fleucht.

Muss die Polizei alles nutzen, was technisch möglich ist?

Polizei und Justiz dürfen sich dem technischen Fortschritt jedenfalls nicht verschließen. Denken Sie an die Nutzung der DNA-Analyse. Sie hat viele Fahndungserfolge gebracht, aber auch vielen fälschlich verdächtigten oder verurteilten Menschen ermöglicht, ihre Unschuld zu beweisen. Technischer Fortschritt ist in einem Rechtsstaat auch ein wesentlicher Beitrag für mehr Gerechtigkeit. Orwell'sche Visionen halte ich deshalb für ziemlich übertrieben. Wir wollen nicht den gläsernen Menschen, und Sie können sicher sein, dass wir uns immer im Rahmen der geltenden Rechtsordnung halten.

... nein, den gläsernen Menschen wollen wir nicht, er muss nur schön durchsichtig sein. Und was die „geltende Rechtsordnung" ist, bestimmen schließlich wir!

Gegen die ebenfalls geplante Vorratsspeicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten wollen 10.000 Menschen Verfassungsbeschwerde einlegen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?

So etwas regt mich nicht mehr auf.

Klartext: Was „die Straße" denkt, wie mein Kollege Kohl zu formulieren pflegte, ist mir nun wirklich sch***egal! Dass es sich hier um den höchsten Souverän handelt, von dem alle Staatsgewalt ausgeht (vgl. Art. 20 Abs. II GG) kann uns doch nicht ernsthaft kümmern, oder ?

Und was sagen Sie zum Vorwurf, dass der Staat bei der Vorratsspeicherung ins Blaue hinein gewaltige Datenmengen über das Kommunikationsverhalten der ganzen Bevölkerung sammelt?

Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Datenschützer sind ja nicht moralisch höherwertig, weil sie mehr Gewicht auf die Freiheit legen. Und ich bin kein schlechterer Mensch, weil ich mehr Gewicht auf den Schutz vor Verbrechern lege.

Datenschützer sind sogar extrem minderwertig, weil sie uns dauernd kritisieren. Den milliardenschweren Datenschrott können wir dann vielleicht auch noch an Werbeagenturen verkaufen. Und ich bin eigentlich gar kein Mensch, sondern eine rollende Paranoia.

Derzeit werden biometrische Pässe eingeführt, und biometrische Personalausweise sollen ab 2008 folgen. Dann sind Passbilder und Fingerabdrücke der ganzen Bevölkerung digital erfasst - ein wunderbares Fahndungsinstrument.

Das ist nicht geplant. Die biometrischen Merkmale sollen die Ausweispapiere fälschungssicher machen und sicherstellen, dass Passinhaber und vorlegende Person identisch sind. Mit Fahndung hat das nichts zu tun. Die biometrischen Daten sind ja auch ausschließlich auf dem Chip des Ausweispapiers gespeichert.

Aaaaaber sicher doch !!!

Und sie sind bei keiner staatlichen Behörde gespeichert? Weder zentral noch dezentral?

So ist das vorgesehen.

Was natürlich nicht heißt, dass wir das nicht doch anders machen.

Und wie lange gilt dieses Versprechen?

Der Gesetzgeber behält immer die Möglichkeit, einmal getroffene Entscheidungen später zu revidieren. Da lege ich mich jetzt nicht fest.

Wozu auch? Ist doch eh egal! Und überhaupt - haben Versprechen von Politikern überhaupt jemals gegolten? Und schließlich, versprechen kann man sich doch mal, oder?

Es könnte also sein, dass die biometrischen Daten der neuen Ausweispapiere, wenn diese erst einmal eingeführt sind, doch in einer großen Datei zusammengeführt werden - einer Datei, auf die Polizei und Verfassungsschutz dann Zugriff haben?

Ich bin mit Aussagen für die Ewigkeit sehr zurückhaltend.

s.o.

Sagen Sie das jetzt, weil man bei den Mautdaten schon einmal versprochen hat, dass sie nicht für Fahndungszwecke eingesetzt werden, und Sie das jetzt doch planen?

Ja, daraus habe ich gelernt. Ich bekenne, auch, ich habe Ende 2004 der Regelung im Mautgesetz zugestimmt, die eine Verwendung der Mautdaten für Fahndungszwecke ausdrücklich verbietet. Aber wie mein Kollege, der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, halte ich das heute für einen schweren Fehler.

Ein "schwerer Fehler" ist, dass diese beiden Herren noch Politik machen und nicht längst von der Wählerschaft in die Wüste gejagt wurden

Warum?

Es kann nicht sein, dass der Staat diese Daten hat, sie aber ausschließlich für die Abrechnung der Lkw-Maut nutzt und deshalb einen Mord nicht aufklären kann. Das versteht ja kein Mensch.

Klar, alle Kraftfahrer sind potentielle Mörder! Und wozu habe wir diesen milliardeschweren Schrott denn sonst installiert? Für reine Mauterfassung hätte auch das österreichischen Modell gereicht, das einen minimalen Bruchteil dessen kostet und die Landschaft nicht so verschandelt.

Ist das nicht eine Salamitaktik? Bei der Einführung neuer Technologien wird beteuert, die Sicherheitsbehörden bekämen keinen Zugriff auf die anfallenden Daten. Und kaum ist die Technologie durchgesetzt, nutzt man das nächstbeste Verbrechen, um der Polizei doch alle Zugänge zu öffnen.

Das wäre vielleicht bedenklich, wenn es eine absichtliche Taktik wäre. Aber beim Mautgesetz gab es sicher keinen derartigen Hintergedanken. Heute bin ich ja auch viel vorsichtiger. Von mir hören Sie keine Versprechungen mehr, dass alles so bleibt, wie es ist. Das wäre auch undemokratisch.

... und wen interessieren Versprechungen von Politikern überhaupt???

Warum?

Ich kann doch nicht den Gesetzgeber auf Jahre hinaus festlegen. Da würde ich mich ja außerhalb des Rechtsstaats stellen. Nein, wenn es um die Einführung neuer Ermittlungsmethoden geht, wird öffentlich diskutiert, das ist ganz transparent in der Demokratie, und am Ende entscheidet die Mehrheit.

... transparent - welch’ passendes Wort in diesem Zusammenhang!

Bei der Onlinedurchsuchung haben Sie aber zunächst keine Gesetzesänderung vorgesehen. Noch im Herbst haben Sie im Bundestag betont, dass dies nicht erforderlich sei.

Da gab es ja auch noch keine rechtlichen Probleme. Die Bundesanwaltschaft hatte erklärt, dass die neue Maßnahme rechtlich als Hausdurchsuchung zu werten ist, ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof hat dies im Februar bestätigt. Erst im November hat ein anderer BGH-Ermittlungsrichter das Fehlen der Rechtsgrundlage moniert. Diese Ansicht, die ein BGH-Strafsenat jetzt bestätigt hat, akzeptiere ich. Und nun diskutieren wir über eine Neuregelung.

... und überhaupt, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Nur weil ich promovierter Volljurist bin, muss ich doch keinen Respekt vor Recht, Verfassung oder sonstwas haben, oder ???

P.S. Die wohl nicht nur von dem Kollegen Udo Vetter im lawblog geäußerte leise Hoffnung, dass es sich bei diesem Interview tatsächlich um gut gemachte Satire handelt, ist spätestens jetzt geplatzt, nachdem sogar unser aller Bundesregierung diesen unsäglichen Müll offiziell veröffentlicht hat:

Tja, Wahrheit kann härter sein als Satire!

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