Mittwoch, 29. August 2007

abgeordnetenwatch.de - eine Bilanz

Vor einem Monat hatte ich den hiesigen fünf Bundestagsabgeordneten

1. Christian Ahrendt, F.D.P.
2. Dr. Martina Bunge, DIE LINKE
3. Iris Hoffmann, SPD
4. Eckhardt Rehberg, CDU
5. Dr. Harald Terpe, GRÜNE

zwei einfache Fragen gestellt:

Was genau verstehen Sie unter dem derzeit vieldiskutierten Begriff „Online-Durchsuchung"?
Befürworten Sie diese Maßnahme oder lehnen Sie diese ab?

Ergebnis: Früher oder später gab es von allen eine Antwort, wenn auch von sehr unterschiedlicher Qualität:

Der Kollege Ahrendt (F.D.P.) brauchte immerhin einen Monat. Seine Antwort auf die Frage 1 fällt eher kurz aus: „Konkret ist damit die Fähigkeit, PCs durchsuchen zu können, ohne tatsächlich am Standort des Gerätes zu sein gemeint." Fazit zur Frage 2: „Deshalb ist aus Sicht der Liberalen die heimliche Online-Durchsuchung ein massiver Grundrechtsverstoß, worauf zum Wohle des Rechtsstaates verzichtet werden muss. Als bürgerrechtliche Partei lehnt die FDP die von der Bundesregierung geplante Möglichkeit zu Online-Durchsuchungen entschieden ab."

Frau Dr. Bunge (Die Linke) bringt es nach 3 ½ Wochen kurz + knackig auf den Punkt:

„Der Begriff Online-Durchsuchung unterstellt, mit dieser Form der Überwachung wolle man Daten erfassen, wenn ein Computer-Benutzer /online/ ist; also besuchte Homepages, E-Mails, Internet-Telefonie usw. Tatsächlich zeigen die Diskussionen der letzten Monate, dass die Bundesregierung darunter aber viel mehr versteht - nämlich das Ausspähen aller Daten auf PCs; auch der persönlichen. Mit Trojanern soll sich dafür Zugang verschafft werden, um die Daten der Festplatte sichtbar zu machen oder sogar Webcams und Mikrofone "ferngesteuert" zu nutzen.

Die Linksfraktion im Bundestag lehnt Online-Durchsuchungen generell ab. Sie sind Eingriffe in die persönliche Integrität, in die Grund- und Bürgerrechte und nicht mit dem geltenden Recht zu vereinbaren - diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof bestätigt. Die Bemühungen der Bundesregierung zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für Online-Durchsuchungen kann ich somit ebenfalls nicht befürworten."

Frau Hoffmann hat anscheinend bei der CDU gelernt und pastet nach 30 Tagen ihren Standardtext:

„Das abgeordnetenwatch-Portal ist keine offizielle Seite des Bundestages. Die Anfragen erreichen mich nicht direkt, sondern werden von dem Internetanbieter an mich weitergeleitet. Leider habe ich mit unpersönlichen und anonymen Diskussionen schlechte Erfahrungen gemacht. Ich wäre Ihnen deshalb sehr dankbar, wenn Sie mir über meine E-Mail-Adresse iris.hoffmann@bundestag.de Ihre Anschrift übermitteln würden. Ich werde Ihnen dann schnellstmöglich eine persönliche Antwort zukommen lassen."

Daher habe ich meine Frage am 28.o7.2007 nochmals per direkter e-mail gestellt, bisher keine Antwort.

Herr Rehberg „antwortet" zwar am schnellsten (binnen drei Tagen) und sehr ausführlich, gibt aber in Wirklichkeit nur CDU-Standardtext im Copy&Paste-Verfahren zum Besten, wie hier schon ausführlich dargestellt und im Netz oft erwähnt. Hierauf von mir und einem anderen Leser konkret angesprochen, schweigt er sich nunmehr seit 17 Tagen aus. Peinlich!

Wie viel die Damen und Herren von der CDU/CSU vom Internet verstehen, zeigt sich auch daran, dass sie es offensichtlich nicht benutzen und deshalb nicht merken, dass man ihren Copy&Paste-Aktionen auf die Spur gekommen ist. Nach Herrn Rehberg pastete dann auch am o2.o8.2007 Der CSU-Abgeordnete Christian Schmidt den wohlfeilen Unsinn von der Tatvorbereitungswaffe, sowie am 24.o8.2007 dann auch der CDU-Abgeordnete Peter Rzepka. Die nette Passgage mit den „hochprofessionellen und schwerkriminellen Straftätern" fand sich zuletzt am 17.o8.2007 bei dem CDU-Abgeordneten Johann-Henrich Krummacher.

Herr Dr. Terpe ist auch recht schnell (Antwort nach acht Tagen) bringt es auch mit relativ wenig Text dennoch recht vollständig auf den Punkt:

„Die Bezeichnung "Online-Durchsuchung" ist aus meiner Sicht irreführend. Denn um eine temporäre Durchsuchung des Computers handelt es sich ja gerade nicht, diese wäre bei begründetem Verdacht auch durch eine Beschlagnahme des Computers möglich. Vielmehr geht es um eine allumfassende Ausforschung nicht nur der Internetkommunikation (z.B. Chats, VOIP, aufgerufene Webseiten, E-Mails usw.) sondern des gesamten Computers.

Der Bundesgerichtshof hat zu Recht auf die besondere Qualität dieses Eingriffes hingewiesen, der weder mit der Telekommunikationsüberwachung noch wegen der Heimlichkeit mit einer Hausdurchsuchung gleichgesetzt werden darf. ... Es wird abzuwarten sein, wie das Bundesverfassungsgericht im Oktober über die umstrittene Befugnis zu Online-Durchsuchungen im NRW-Verfassungsschutzgesetz entscheidet. Ich hoffe, dass das Gericht ähnlich urteilt wie bei der akustischen Wohnraumüberwachung.

Ob die Befugnis zu Online-Durchsuchungen wie von Schäuble und anderen behauptet tatsächlich ein Mehr an Sicherheit bringt, kann man glauben oder nicht. Sollte die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf zu Online-Durchsuchungen einbringen, werde ich diesen nicht befürworten. Es muß einen Grundbestand freiheitlicher Grundrechte geben, die der Verfügungsgewalt durch den Staat entzogen sind."


Fazit: Dass die sog. „Online-Durchsuchung mehr ist als ein Schlagwort und eben deutlich mehr und Schlimmeres beinhaltet als nur die schnöde Schnüffelei auf fremden PCs per Online-Verbindung, haben nur die beiden Doctores Bunge und Terpe begriffen (bedarf es dafür wirklich einer Promotion ???). Frau Hoffmann hat bisher nicht geantwortet, der Kollege Ahrendt sowie Herr Rehberg produzieren nur Worthülsen - was gerade bei letzterem besonders peinlich ist, stellt er sich doch als Dipl.-Ing. für Informatik und Facharbeiter für Datenverarbeitung vor - ist wohl doch schon lange her. Aber für Copy&Paste reicht’s ja noch. ...

P.S. Wer in den Antworten der/seiner Abgeordneten phrasenverdächtigen Text oder Schlagworte entdeckt, diese(n) einfach mal oben rechts in die Suchmaschine bei abgeordnetenwatch eingeben und staunen.

Nachtrag: Auf meine direkte e-mail vom 28.o7.2007 hat sich Frau Hoffmann fast zwei Monate (!) Zeit gelassen, um dann Unverbindliches zu äußern:

Sie sprechen mit Ihrer ersten Frage einen wichtigen Punkt innerhalb der Debatte um Online-Durchsuchung an. Denn bis jetzt ist weder die technische Durchführbarkeit noch die Frage der Notwendigkeit eines solchen Instrumentes abschließend geklärt. Dies bedeutet, dass noch nicht eindeutig festgelegt bzw. dargestellt wurde, für welche Erkenntnisse der Einsatz eines solchen Instrumentes benötigt wird.

Außerdem ist weiterhin offen, ob zur Einführung der Online-Durchsuchung eine einfache gesetzliche Regelung genügt oder ob eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Um die Verfassungskonformität zu klären, muss abgewartet werden, wie die Bundesverfassungs-richter in Bezug auf das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz entscheiden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich mir aufgrund dieser offenen Fragen noch kein abschließendes Urteil über die Einführung von Online-Durchsuchung bilden. Fest steht, dass der Online-Durchsuchung nur zugestimmt werden kann, wenn die Maßnahmen zur Ge-währleistung der Inneren Sicherheit wirklich notwendig und gleichzeitig praktikabel, verhält-nismäßig und verfassungskonform sind. Dies gilt es in den nächsten Monaten zu klären.

Aha, nichts genaues weiß man nicht. Sehr aufschlussreich!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Linkspartei ist für mich absolut unglaubwürdig, was diese Partei alles realisieren würde, wenn sie an der Regierung wäre, auch vor ihrem historischen parteipolitischen Hintergrund, möchte ich lieber nicht wissen.

Anonym hat gesagt…

ich halte die diskussion über die online durchsuchung für völlig überbewertet: da treffen leute mit bedenklichen allsicherheitsvorstellungen (osm) auf die realität. ich glaube kaum, dass ein "bundestrojaner" das leisten kann, was sein schöpfer von ihm verlangt.

Anonym hat gesagt…

na, endlich hat mal jemand nachgefragt _was_denn_eine_online-untersuchung_überhaupt_ist. ich habe das ja lange zeit für eine zauberwaffe gehalten. war vielleicht ein bisschen spät, und noch besser wäre so was mit o-ton und bild gewesen, aber na gut. großen dank an abgeordnetenwatch.

.