Dienstag, 11. März 2008

Späte Einsichten durch das BVerfG ?

Schon erstaunlich, was, was so über plötzliche - wenn auch späte - Einsichten des schleswig-holsteinischen Innenministers Hay zu lesen ist:

«Die Karlsruher Richter haben heute Politik und Staat wiederholt ermahnt, bei Operationen am offenen Herzen des Rechtsstaats nicht zu tief zu schneiden», sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Lothar Hay (SPD) am Dienstag in Kiel. ... Hay sprach sich zugleich gegen einen erneuten Vorstoß zur Anpassung der Regelung an die Vorgaben des Gerichts aus. ... Bei der automatischen Kennzeichenerfassung gebe es «ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag», sagte Hay. So wurden seit Beginn der Erprobungsphase im August des vergangenen Jahres bis heute lediglich 26 Verstöße gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz festgestellt. Kein einziger gestohlener Wagen habe sich unter den 131 000 Autos befunden, deren Kennzeichen gescannt wurde.

O.K., hier wurde - entgegen ersten Erwartungen - einmal nicht versucht, eine Ohrfeige aus Karlsruhe in einen Sieg umzumünzen. Trotzdem höchst bedauerlich, dass es erst wieder einer BVerfG-Entscheidung bedurfte, um diese mehr als nahe liegenden Einsichten zu wecken.

Weniger einsichtig ist offensichtlich sein Wiesbadener Kollege Bouffier (CDU), wie heise berichtet:

Zugleich bedauerte er, dass die Entscheidung "die Bekämpfung der Kriminalität erschwert". Es müsse geprüft werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Lesegeräte zum Zweck der Gefahrenabwehr eingesetzt werden könnten.

Naja, von Mitgliedern dieser Partei wohl auch nicht anders zu erwarten. ...

Etwas schräg die Stellungnahme der GdP, ebenfalls bei heise zu finden:

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlangt nun "zügig" verfassungskonforme Rechtsgrundlagen zur automatischen Kennzeichenerfassung. ... Zudem würden es die Politiker ein um das andere Mal versäumen, ihre Vorhaben gegenüber Bürgern verständlich zu erläutern. Dies würde Ängste und Misstrauen in der Bevölkerung schüren, während die Polizei auf ein gutes Vertrauensverhältnis angewiesen sei.

Dass es einem „guten Vertrauensverhältnis" am ehesten förderlich wäre, nicht ständig die Bürger zu beschnüffeln, zu bespitzeln, zu erfassen und deren Daten zu speichern, erschließt sich der GdP wohl eher nicht?!

P.S. Nachtrag: Wer hier natürlich mal wieder dumm auffällt, ist nach einem Bericht vpn paz-online
http://www.paz-online.de/newsroom/politik/zentral/politik/niedersachsen/art668,546507

der bekennende Ober-Schnüffelfan Schünemann, seines Zeichens (leider) Innenminister in Niedersachsen:

Das Karlsruher Urteil zur Kontrolle von Autokennzeichen per Videokamera hat laut Innenminister Schünemann (CDU) keine Folgen für Niedersachsen. „Wir haben die Vorgaben von Anfang an eingehalten", sagte Schünemann am Dienstag.

Ja, nee, is klar! Ansonsten zeigt sich der Herr absolut beratungsresistent wie immer, wie beim Göttinger Tageblatt zu lesen ist:

Schünemann kündigte gestern sogar einen deutlich verstärkten Einsatz von Kennzeichenlesegeräten auf den Straßen an. Zurzeit gibt es in Niedersachsen vier mobile Geräte. Sie können außerhalb und innerhalb von Autos eingesetzt werden – auch während der Fahrt. In den kommenden Tagen sollen weitere neun Geräte an die Polizeidirektionen ausgeliefert werden, berichtete Ministeriumssprecher Michael Knaps.

Einen Kommentar erspare ich mir an dieser Stelle, sonst wird's unhöflich.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Die Watschenfrequenz aus Karlsruhe scheint stetig zuzunehmen - und ein Gesetz nach dem anderen wird gekippt, das die Polizei zur Vorverdachtsermittlung in großen Stil ermächtigen soll.

Ich finde das übrigens einen interessanten Ausblick in Richtung der Entscheidung zur VDS.

Das sich natürlich wieder einer findet, der alles ganz besonders richtig gemacht hat, war zu erwarten. Vielleicht lässt ja ein Bürger Niedersachens die Theorie von Herrn Schünemann nochmal in Karlsruhe überprüfen...

Mein eigener Beitrag zum Thema:
http://www.doktor-seltsam.de/2008-03-11-001