Wie Telemedicus berichtet, hat der Bundesrat vergangenen Freitag den Antrag abgelehnt, eine gesetzliche Grundlage für Online-Durchsuchungen zu schaffen (vgl.auch Haufe). Mit dem von Thüringen initiierten Entschließungsantrag sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, in der Strafprozessordnung eine Befugnisnorm für verdeckte Online-Durchsuchungen zu schaffen.
Schön, dass sich jedenfalls Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) klar gegen diesen extremen Eingriff positioniert hat:
„Ich würde es nicht machen (…) Gegen einen solchen Antrag habe ich gewaltige Einwände, auch wenn das Ziel durchaus nachvollziehbar ist. Die Methoden unserer Gegner sollte sich unser Rechtsstaat nicht zu eigen machen. Wir sollten das, was wir bis heute eigentlich verhindern wollten, nicht selbst nutzen wollen. Eine gesetzliche Erlaubnis für Online-Durchsuchungen stünde, so Goll, ohnehin auf verfassungsrechtlich wackeligen Füßen. Dies zeige die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wohnraumüberwachung. Goll weiter: Auch wenn ich dieses Urteil nicht begrüßt habe, ist es für uns ein deutlicher Fingerzeig auf den Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung. Dieser absolute Schutzbereich wird gerade bei Online-Durchsuchungen fast schon zwangsläufig verletzt."
Eher schlimm dagegen, was Befürworter der Schnüffelei zur Begründung so von sich geben, ebenfalls bei Telemedicus nachzulesen:
BKA-Präsident Jörg Ziercke in einem Spiegel-Interview (26.02.2007):
„Wir müssen uns vor Augen führen, dass der PC und das Internet für Terroristen die maßgeblichen Medien bei der Tatvorbereitung und -durchführung sind."
Auf den nachfragenden Hinweis, dass dabei doch auch der Datenschutz gewährleistet sein müsse, erwiderte er:
„Deshalb müssen wir für die Online-Durchsuchung Verfahren entwickeln, mit denen wir gezielt an die gesuchten Daten herankommen. Das könnte über Schlüsselbegriffe als Suchwörter geschehen. Im Übrigen gibt es auch bei herkömmlichen Hausdurchsuchungen Einschränkungen für die Polizei. Ich könnte mir deshalb vorstellen, dass ein Richter hinterher entscheidet, was die Polizei verwerten darf."
Ach ja: Erst einmal wird alles durchschnüffelt und archiviert und dann hinterher (!) durch einen Richter entschieden, was verwertet werden darf. Genau das soll u.a. durch genaue Vorgaben bei „herkömmlichen Hausdurchsuchungen" verhindert werden, lieber Herr Ziercke!
Ebenso entlarvend der Text des - glücklicherweise abgelehnten - Entschließungsentwurfs,den der Thüringer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei Gerold Wucherpfennig eingereicht hat. Nachfolgend zwei Zitate:
„Mit Beschluss vom 31. Januar 2007 - StB 18/06 - hat der Bundesgerichtshof die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs, mit der die Anordnung einer verdeckten Online-Durchsuchung abgelehnt worden war, verworfen. Gegenstand war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung. Dieser Fall hat deutlich gemacht, dass bei der Bekämpfung des Terrorismus einerseits ein praktisches Bedürfnis für die verdeckte Online-Durchsuchung zur Aufrechterhaltung einer effektiven Strafverfolgung besteht, andererseits derzeit die erforderliche Eingriffsvoraussetzung fehlt."
Diese schiefe Begründung würde man jedem Juristen um die Ohren hauen: Weil der BGH festgestellt hat, dass eine Rechtsgrundlage für diese Schnüffelei nach geltendem Recht nicht gegeben ist besteht ein "praktisches Bedürfnis für die verdeckte Online-Durchsuchung zur Aufrechterhaltung einer effektiven Strafverfolgung", die derzeit „(leider) nicht erlaubt ist. Oder kürzer: Weil das nicht erlaubt ist, muss es eingeführt und erlaubt werden, basta!
„Um mit dem technischen Fortschritt, den Straftäter mit besonderer Energie für ihr sozialschädliches Verhalten auszunutzen verstehen, Schritt halten zu können, bietet sich die verdeckte Online-Durchsuchung als Erfolg versprechende Lösung an. Bei einer verdeckten Online-Durchsuchung werden Datenspeicher eines Computers durchsucht, indem dem Beschuldigten ein Computerprogramm zugespielt wird, das dafür konzipiert ist, die auf den Speichermedien des Computers abgelegten Dateien zu kopieren und zum Zwecke der Durchsicht an die Ermittlungsbehörden zu übertragen. Dadurch können ohne Wissen der Tatverdächtigen die Datenspeicher der von diesen genutzten Computer auf elektronischem Wege durchsucht und so als Informationsquelle erschlossen werden."
Ach - wirklich? Entsteht tatsächlich nicht eher wieder der Verdacht, dass hier jemand entweder die Technik nicht versteht oder aber versucht, die tatsächliche Technologie zu verschleiern?
Montag, 12. März 2007
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2 Kommentare:
Ein Hoch auf Baden-Württembergs Justizminister!
Mich versetzt der Goll auch ins Erstaunen. Bei Christian Klar mimt er den Hardliner, und hier sind verfassungsmäßige Rechte plötzlich ausschlaggebend.
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